Das grüne Dach des Freizeitforums Marzahn
Dachbegrünung hat in Berlin eine überraschend lange Tradition. Bereits um 1900 gab es rund 2.000 Gründächer in der Stadt. Sie hatten eine lange Standzeit und die erhaltenen Dächer sind heute noch dicht. In den meisten Fällen handelte es sich um Holzzementdächer mit Kies, lehmiger Erde oder Aushubmaterial. Dadurch reduzierte sich die Brandgefahr, vor allem in dichtbebauten Städten. Diese Dächer wurden durch Samenflug selbst begrünt und hatten den Charakter einer Wildwiese (Quelle: dach+holzbau). Auch für das Freizeitforum Marzahn hatte der Architekt Professor Wolf-Rüdiger Eisentraut ursprünglich eine Dachbegrünung angedacht, die jetzt umgesetzt werden konnte.
Die Dächer des Freizeitforums Marzahn sind mit unterschiedlichen Arten der Begrünung versehen worden, je nachdem wie es die äußeren Bedingungen erfordern. Auf den Dächern 6,7 und 8, die extrem Sonne, Wind und Wetter ausgesetzt sind und häufig trockenfallen, wurde eine Extensivbegrünung angelegt. Dafür kommen nur Pflanzen infrage, die auch in der Natur bzw. Kulturlandschaft an ähnlichen Standorten vorkommen wie auf Schotterflächen, an Bahndämmen, Autobahnrändern, auf Mauerkronen und Felsen. Das sind in unseren Breiten üblicherweise kleine Sedum-Arten (deutsch: Fetthenne-Arten). Am bekanntesten unter ihnen ist der heimische Mauerpfeffer und die „Tripmadam“. Das sind kleine Sukkulenten, deren Blätter Wasser speichern und die eine wachsähnliche Schicht vor dem Austrocknen schützt. So überstehen sie Trockenzeiten und Hitze hervorragend. Auf den Dächern wurden sie im FFM als „Sprossensaat“ ausgebracht, also als kleine lebende Triebe, die sich rasch bewurzeln. Zur Starthilfe wurde ein Kleber auf Stärkebasis beigemischt. Andere Pflanzen sind hier auf Dauer nicht konkurrenzfähig, deshalb halten sich diese kleinen so gut. Sie blühen lange und verschiedenfarbig; außerdem sind sie eine gute Bienenweide. Sie gedeihen auf nur 6 cm eines mineralischen Substrats. Diese dünne Schicht darf aus statischen Gründen nicht schwerer sein. Damit das Substrat nicht wegfliegt, ist es schottrig-steinig.
Dach 5 und Teile des Dachs 10 können dank der architektonischen und statischen Vorgaben eine Bodenschicht von 15 bis 35 cm tragen. Außerdem sind diese Dachflächen mit einem Bewässerungssystem ausgestattet worden und von umgebenden Gebäuden geschützt. Unter diesen weniger extremen Bedingungen ist eine Intensivbegrünung mit einer eher gärtnerischen Pflanzenauswahl möglich. Hier wurden Räume und Stimmungsbilder geschaffen, Blattformen, Blütezeiten und -farben nach dekorativen Aspekten kombiniert, und nicht zuletzt sollte die Pflanzenauswahl zum Gebäude (Bauzeit, Stil) und zu seinem Zweck passen. Im Lesegarten des FFM wurden deshalb beispielsweise Rosen der Sorte „Schneewittchen“ und „Vogelpark Walsrode“ ausgewählt, welche lichte Gestalten und zarte Farben ausbilden. Sie haben etwas Himmelszugewandtes, wie es einer Leserin oder einem Leser vielleicht gefallen wird, ohne zu sehr von der Lektüre abzulenken.
Auch diese Pflanzen müssen robust sein, denn auf einem Dach ist es häufig windig und kalt. Zudem wurden die Gegebenheiten von Sonne und Schatten beachtet. Im Lesegarten des FFM gibt es z. B. lichtschattige Ränder, wo Blattschmuckarten wie Hosta und Winterblüher wie Helleborus am besten gedeihen. Die Beete brauchen ein Gerüst aus Gehölzen und Gräsern, das auch im Winter dekorativ und raumbildend wirkt. Stauden und Geophyten (Zwiebelpflanzen) kommen zierend und jahreszeitlich hinzu.
Auf Dach 4, in den Randbereichen von Dach 5 sowie partiell auf Dach 9 und 10 gibt es Mischformen und Extensivbegrünung mit Substratdicken von 7 bis etwa 20 cm. Dort können trockenwiesen- oder heideartige Pflanzenbilder entstehen. Die kleinen Sukkulenten (Sedum) sind auch hier mit von der Partie, aber sie können schon mal in die Minderheit geraten. Sie dienen auf diesen Flächen eher der „Begrünung für alle Fälle“, die in Trockenzeiten verstärkt zum Zuge kommt. Hier wachsen z. B. Lavendel, Thymian, kleinere Gräser (Festuca, Melica) und an Stellen mit mehr Substrat sogar Salbei und ähnliches. Diese Pflanzen sind am ehesten als Wiesenpflanzen exponierter Lagen beschreibbar. Auch hier dient die Natur bzw. die heimische oder südosteuropäische Kulturlandschaft als Vorbild. Diese Flächen gedeihen in guten Jahren üppig und müssen deshalb im Frühling abgemäht werden. Eigentlich ist eine Bewässerung hier nicht vorgesehen. Das Pflanzenspektrum ist so gewählt, dass auch trockenheitsverträgliche Arten dabei sind, andere hingegen in Trockenzeiten weniger hervortreten. Wenn es aber viel regnet oder gegossen wird, setzen sich auf diesen Flächen gerne weniger spezialisierte Arten durch, wie die allseits beliebte Erdbeere und die weniger beliebten Disteln. Dann müssen einzelne Arten gärtnerisch begrenzt werden, denn sonst fangen diese Flächen an, ihre Vielfalt zu verlieren und „am Tropf“ zu hängen. Diese Flächen sind am dynamischsten. Einfacher ist die Pflege der Extensivbegrünung. Diese und die Mischformen bieten jedoch den Insekten gemeinsam eine noch größere Vielfalt. Auch die Kühlungswirkung nimmt mit jedem Zentimeter Substratdicke der Begrünung zu. Das rechtfertigt den Aufwand, der mitunter entsteht.
Die Dachbegrünung leistet einen wichtigen Beitrag zur Klimaanpassung. Das Mikroklima verbessert sich durch die kühlende Wirkung. Der Kühleffekt liegt bei 2 bis 7 Grad Celsius gegenüber der Lufttemperatur und 25 Grad Celsius gegenüber normalen Flachdächern. Das grüne Dach verbessert die Dämmwirkung um 10 Prozent und führt damit zu einer Energieeinsparung im Gebäude um 5 Prozent.
Außerdem funktioniert es als Regenwasserspeicher und saugt auch Starkregen auf wie ein Schwamm. Und nicht zuletzt wird die ‚Grüne Oase‘ von Besucherinnen und Besuchern als Erholungs-, Rückzugs- und Begegnungsraum geschätzt.
Text und Entwurf: GSE Gesellschaft für StadtEntwicklung gemeinnützige GmbH i.A. Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf Abt. Jugend, Familie und Gesundheit und Abt. Stadtentwicklung, Städtebauförderung, unterstützt von Landschaftsarchiktektin Jutta Hengge